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Mensch, werde wesentlich



Sprache und Erkenntnis (Teil 2 von 6)
 
Bin ich, der ich bin?
Im biblischen Mythos folgt dem Essen vom Baum der Erkenntnis die Vertreibung aus dem Paradies. Zumindest die sprachliche Erkenntnis, das Abbilden oder Etikettieren der Wirklichkeit mit Worten einer Sprache, entführt uns aus dem Paradies, weil wir dann nicht mehr die Dinge so sehen, wie sie sind, ohne Aufkleber, sondern in jedem Ding oder Ereignis auch etwas anderes sehen, als es ist: das davon Gemeinte. Prinzipiell kann jedes Ding oder Ereignis ein Signal sein, dann haben wir beim Wahrnehmen dieses Dinges oder Ereignisses die Tendenz (der in der Psychologie bekannte Stroop-Effekt misst dies sogar), in diesem Ding eher das zu sehen, was es meint, anstelle von dem, was es ist. So funktioniert Sprache.
Diese »Irreführung« ist in vieler Hinsicht nützlich, sie ist die Grundlage unserer Kultur und Kommunikation. Aber sie entführt uns auch hinaus aus dem Raum, in dem die Dinge einfach nur so sind, wie sie sind, ohne etwas zu bedeuten – im biblischen Mythos als Paradies bezeichnet. Erst das Essen vom Baum des Lebens ermöglicht uns, die Welt der Getrenntheit (in Bedeutungsträger und deren Bedeutungen) zu verlassen und wieder »eins zu werden« – zu werden, die wir sind. Auch wir Menschen selbst, nicht nur Worte und Sätze, werden ja in diesem (gemäß dem Mythos) »Jammertal des Leidens« zu Bedeutungsträgern. Erst wenn wir diese uns zugewiesenen Bedeutungen, diese Hüllen und im Sinne unserer wahren Natur »falschen Identitäten« von uns abgeschüttelt haben, sind wir wieder frei – und ganz.
 
Das Ego
Diese Hülle wird in spirituellen Kreisen »das Ego« genannt. Sie ist zwar eine Illusion (»Der Kaiser ist nackt«), aber eine sehr mächtig wirksame und zugleich krisenanfällige. Hat schon mal jemand sein Ich gefunden? Was dabei gefunden wird, sind jeweils nur Objekte einer Beobachtung, nicht das Ich. Das Ich ist ja das, was beobachtet. Dass ich »ein Ich habe«, also ein Ego, das gibt es nur als Produkt von Suggestion – Autosuggestion oder Fremdsuggestion, meist eine Kombination von beidem. Insofern ist das Ego nicht Fakt, sondern Fiktion, so wie alle Suggestionen, die von Sprache erzeugt werden.
Das ist es, was der »Anattavadin« (der Lehrer des Nicht-Selbst) Gautama Buddha mit »Anatta« meinte: Das Ich oder Selbst (im Pali: Atta, im Sanskrit: Atman) ist eine Fiktion. Allerdings eine sehr wirkungsvolle. Wenn nun die Spiris im Ego-Bashing diese Fiktion bekämpfen, erzeugen sie eine Verstärkung derselben: Den Teufel, den sie riefen, den werden sie nun nicht mehr los. Weil die Kämpfer gegen diese Fiktion eben selbst solche sind: sprachlich kreierte Fiktionen, die sich erst dann auflösen, wenn man sie durchschaut. Arme Spiris! Sie kämpfen gegen etwas, das sich durch diesen Kampf noch verstärkt. Sie versuchen den Teufel mit Beelzebub auszutreiben.
 
Zu jemandem werden
Oft habe ich das erlebt: Menschen, die vor mir sitzen, in all ihrer nonverbalen Unsicherheit, wenn sie in mir einen guten Zuhörer vorzufinden glauben, dann fangen sie an zu reden. Nach einiger Zeit meines aufmerksamen Zuhörens kommt in ihnen Selbstsicherheit auf, und sie werden im Lauf ihrer Rede allmählich zu einer Persönlichkeit, einem Jemand. Der kann sehr nachdrücklich sein, sogar auftrumpfend, er kann mich sogar ängstigen, obwohl doch ich derjenige bin, der als guter Zuhörer diesen Jemand in gewisser Hinsicht erst erschuf.
Hitler merkte erst Anfang der 1920er Jahre, was seine Reden in den Deutschen auslösten. Während des ersten Weltkriegs war er noch ein Underdog, ein Langweiler, dem niemand zuhören wollte. Gut zehn Jahre später war er »der Führer«. Dazwischen war etwas mit ihm passiert, zunächst v.a. im Lazarett in Pasewalk. Dann kam die Bereitschaft der Deutschen, einem wie ihm mit wachsender Begeisterung zuzuhören, und auf der anderen Seite, bei ihm, das Gefühl, dazu berufen zu sein, die Deutschen zu führen. So passten da zwei Seiten zusammen.
Werden wir denn erst als Sprechende (sekundär auch als Schreibende und in einem erweiterten Sinne als Signale Aussendende) zu Persönlichkeiten? Mit nonverbaler Gestikulation geht es auch, aber das verbale Sprechen ist doch das mächtigste der magischen Instrumente, die wir als Menschen haben. Ohne Sprache sind wir niemand. Insofern ist das Sprechen und Sprache-Verstehen die Ursünde, die uns aus dem sinnlichen Dasein, der einfachen Präsenz entführt.
 
Sprechkreise
In der spirituellen Szene gibt es oft Sprechkreise. Dort wird »geshared«, wie der Szene-Slang es nennt: Man teilt sich einander mit, möglichst in Ich-Botschaften und prioritär die Gefühle, viel mehr als die Gedanken. Auch in diesen Sprechrunden entstehen die Persönlichkeiten erst, die neuen Gefängnisse, obwohl dabei doch der Anspruch gilt, dem Transpersonalen den Vorzug zu geben. Zumindest die alte Persönlichkeit will der spirituelle Mensch hinter sich lassen und »ganz im Hier-und-Jetzt« sein. Ekstatisches Tanzen, eine Osho-Meditation, die fünf Rhythmen nach Gabriele Roth, ein Sufi-Whirling, alles das kann einen »aus dem Kopf« und »in den Körper« bringen, in die so geschätzte, gedankenlose Präsenz. Wenn dann aber in der Sharing-Runde darüber geredet wird, entstehen die Persönlichkeiten wieder, neu und anders, und nun auch wieder ›spirituell korrekt‹. Jetzt fühlt man eben und hat etwas als »mindblowing« erlebt, und so weiter, unter den anerkennenden Blicken der anderen in der Runde.
»Mindblowing«? Wenn Worte Wirkung hätten, müssten wir damit unsere eigene Demenz herbeirufen können … Nein, etwas als »Mindblowing« zu erleben ist nicht genug. Es braucht ein tiefes »Aha, so ist das!«, ein Verstehen. Dann fällt das Muster von einem ab, und man muss es nicht mehr wiederholen. Solange »der Mind« noch weggeblasen werden muss, setzt sich das Pendeln zwischen einer Struktur und ihrer Explosion fort.

Wolf Schneider, Jg. 1952. Autor, Redakteur, Kursleiter. Studium der Naturwissenschaften und Philosophie (1971–75) in München. 1975–77 in Asien. 1985 Gründung der Zeitschrift connection. Seit 2007 Theaterspiel & Kabarett. Kontakt: schneider@connection.de

 




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Radio-Interview mit Wolf Schneider:
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Wolf Schneider

Wolf Schneider, Jahrgang 1952, studierte Naturwissenschaften und Philosophie in München. Schon während seines Studiums begab er sich auf Reisen. Die nächsten Jahre verbrachte er in Europa und Südasien, wo er ab 1976 als buddhistischer Mönch in Thailand lebte und von 1977-1990 Schüler von Osho war. Zurück in München gründete er 1985 die Zeitschrift connection, die noch heute als connection Spirit mit der Sonderheftreihe connection Special erscheint. Seinen 2005 gegründeten Verlag mit integrierter "Schule der Kommunikation" wandelte er Anfang 2008 erfolgreich in eine AG um. Im Connectionhaus veranstaltet er Jahrestrainings unter dem Motto: "Kreativität, Kommunikation und Inszenierung". Mit seiner offenen, ehrlichen und humorvollen Art zu kommunizieren, schenkte er uns ein wunderbares Theaterstück (Zauberkraft der Sprache) und zahlreiche Bücher, die uns Leser in eine spannende Welt der Spiritualität entführen. Sein neuestes Buch: "Das kleine Lexikon esoterischer Irrtümer" erscheint im August 2008 im Gütersloher Verlagshaus.



Zusätzliche Informationen:
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