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Die Großen und die Kleinen
Was kann ein kleiner Verlag gegenüber eienm großen ausrichten, wenn er nicht genug Geld hat, um dafür zu kämpfen?
Freitag, den 17. August 2012, 15.30 Uhr. In unserem Connection Verlagsbüro kommen neun Faxe an, überschrieben mit »Eilt / Bitte sofort vorlegen«. Der Absender ist die Anwaltskanzlei Bird&Bird in Hamburg, ihr Mandant die Heinrich Bauer Media Group, einer der vier größten deutschen Zeitschriftenverlage. Es geht um die Titelbilder von Connection Spirit und happinez. Bis Montag 16 Uhr ersuchen sie mich um die schriftliche Erklärung, unsere aktuelle Ausgabe nicht zu veröffentlichen und auch weiterhin keine solcherart gestalteten Titelbilder zu bringen, per »strafbewehrter Unterlassungsverpflichtungserkärung«, sowie die Bewerbung und den Vertrieb dieses Heftes unverzüglich einzustellen, andernfalls würden sie ihrer Mandantin empfehlen, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Ich war gerade sechs Stunden vorher für zehn Tage abgereist, mein Büro war nicht besetzt, auch am Montag nicht, denn es waren Schulferien, da hatten Birgit und Irmi wegen der Kinder mal zugleich Ferien gemacht, was sonst kaum vorkommt. Zeitlich gesehen also Pech für uns. Die Zeitschrift happinez gibt es seit 2003. Sie wurde von der holländischen Journalistin Inez van Oord gegründet (daher der Name happ-inez). In den Niederlanden ist sie heute die (pro Ausgabe gerechnet) erfolgreichste Frauenzeitschrift. Sie erscheint zweimonatlich, nennt sich »mindstyle magazine« und ist im Grunde das, was wir eine »spirituelle Zeitschrift« nennen würden. Sehr schön bebildert, wunderschön layoutet, mit hauptsächlich gefälligen Einsteigertexten, aber auch anspruchsvolleren. Paulo Coelho und Eckart Tolle zählen zu den Kolumnisten, und auch Naturkostrezepte, Wohnungseinrichtung, Reisen und Partnerschaft gehören zu den Inhalten. Seit August 2010 ist happinez zudem auf dem deutschen Markt und auch hier erfolgreich, im ersten Halbjahr 2012 wurden durchschnittlich 100.000 Stück pro Ausgabe verkauft.

»Esoterische Landlust«

Die deutsche Ausgabe von happinez erscheint bei der Heinrich Bauer Media Group, die mit circa 8.000 Mitarbeitern über zwei Mia € Jahresumsatz erwirtschaftet. Der Chefredakteur von happinez leitet zugleich die Redaktionen von TV 14, TV Hören und Sehen und Welt der Wunder. Mir gefiel happinez von Anfang an, deshalb suchte ich den Kontakt und bot schon im Sommer 2010 eine Kooperation an. W&V, die führende Wochenzeitung der Medienbranche, berichtete fair und wohlwollend, der Onlinebranchendienst meedia.de schrieb sogar »Die Zeitschrift hat das Potential, eine esoterische Landlust zu werden« – Landlust ist das Wunderkind der Branche, das inzwischen fast eine Million Stück verkauft. Der Spiegel jedoch, bekannt für seine Verhöhnung alles Spirituellen, höhnte auch über happinez: »Entstanden ist eine krude Mischung aus Binsenweisheiten, Sexualberatung und Kochrezepten.« Mir antwortete die Redaktion im August 2010, sie seien »noch in der Aufbauphase« und könnten auf die zahlreichen Coop-Angebote nicht eingehen. Erst im Sommer 2012 war es so weit: Am 2. Juli stimmte die Redaktion dem von uns angebotenen Abotausch zu. Seitdem bekommt die Redaktion von happinez Connection Spirit zugeschickt, und wir happinez.
Zweimal »Mut«
Wie kommt eine Zeitschrift, die mit uns so kollegial umgeht, dazu, Anwälte gegen uns loszuschicken? Anlass war, dass beide Redaktionen fast auf den Tag genau das gleiche Titelthema »Mut« brachten. Das hatte wohl keiner von uns vorausgesehen. Voraussehbar wäre es für happinez allerdings gewesen – wir kündigen unsere Themen immer langfristig an, happinez sehr kurzfristig. Nun waren plötzlich beide Magazine auf dem Markt, beide mit dem Thema »Mut«, in einem kreisförmigen Motiv. Irgendwer im Hause Bauer muss daraufhin Alarm geschlagen haben. Dann wurden die Anwälte losgeschickt. Das Thema kann man nicht schützen: Man kann nicht andere Journalisten daran hindern, »Glück«, »Liebe« oder »Krieg in Syrien« auf den Titel zu setzen, wenn man selbst das tut oder vorhat. So versuchten sie es über die Gestaltung. Es war zwar im Hause Bauer seit Monaten bekannt, dass auch wir neuerdings gerne rund umrandete Bilder auf den Titel setzen statt rechteckig begrenzter, aber das Runde gehört zum Profil von happinez, dafür hatten sie Markenschutz angemeldet (was ich nicht wusste, und was auch noch nicht bedeutet, dass das richterlich abgesegnet ist).
Große Verlage haben eine Rechtsabteilung. Die mahnte uns nun ab, mit der Drohung einer einstweiligen Verfügung, wenn wir nicht klein beigeben würden (zwischen Freitagnachmittag 15.30 Uhr und Montag 16 Uhr). Kommuniziert per Fax – per Mail hätte man mich leicht erreichen können, noch am selben Tag. Eine Mail schickten mir die Anwälte von Bird&Bird jedoch erst eine Woche später, da war der Gerichtsvollzieher schon nicht mehr rückrufbar. Der stellte uns am 27. August die einstweilige Verfügung zu. Nun war die Sache für uns nicht mehr für weniger als ein paar tausend Euro Lösegeld vom Tisch zu bekommen.
Das Kräfteverhältnis
Ich erkundigte mich daraufhin, wie die Chancen überhaupt stehen, dass Bauer mit diesem Markenschutzanspruch durchkommt. Die Fachanwälte meinten überwiegend, rechtlich gesehen stünden die Chancen für Bauer in der Sache nicht gut, aber sie hätten finanziell und ressourcenmäßig den längeren Atem. Sie würden gegen einen kleinen Verlag vermutlich die Oberhand behalten, denn wir müssten ja bereit sein, durch mehrere Instanzen dafür zu kämpfen. Wenn wir in erster Instanz gewinnen, die Chancen dafür stünden nicht schlecht, dann würde Bauer in Berufung gehen, und auch wenn sogar das Oberlandesgericht uns Recht gibt, gäbe es noch eine Möglichkeit, damit bis nach Karlsruhe zu gehen, Bauer sei das zuzutrauen. Außerdem würden sie uns in dieser Sache wohl nicht vertreten können, denn ihr übliches Stundenhonorar sei 300 bis 400 € (ebenso wie, geschätzt, das der Bird&Bird Anwälte), und das würde doch wohl unsere Möglichkeiten übersteigen.
Kurz gesagt: rechtlich gute Chancen, aber vom Kräfteverhältnis her nicht. Es nützt leider nichts, das Recht auf seiner Seite zu haben, wenn man nicht auch das Geld hat, es durchzufechten. Zudem müsste ich mich im Falle eines Rechtsstreits mich an die Auflage halten keine runden Titelbilder mehr zu bringen, und die aktuell mit solchen Bilder gedruckten Hefte dürfte ich so lange nicht herzeigen, wie der Rechtsstreit währt – und der könne Jahre dauern.
Der Beruf der Anwälte ist es nicht, Streit zu vermeiden, sondern zu kämpfen – für die Partei, die sie bezahlt. Ich versuchte deshalb, mit der Redaktion von happinez, dann auch mit der dortigen Verlagsleitung Kontakt aufzunehmen und die Sache kollegial zu lösen. Wenn die meinen, unsere runden Titelbilder seien für sie ein Angriff, würde ich nachgeben, auch wenn das Recht darauf für uns durchsetzbar wäre. Ich rief mehrfach dort an und schrieb Mails, bekam aber keine Antwort. Wahrscheinlich gab es dort ein Verbot, mit mir Kontakt aufzunehmen.
Connection Spirit ist zu klein, um für happinez eine ernsthafte Bedrohung zu sein. Obwohl happinez erst seit zwei Jahren am Markt ist und wir seit 27, verkauft happinez am Kiosk fast hundert mal so viele Exemplare wie wir. Was das Abo anbelangt, ist der Unterschied viel geringer, aber die Titelbilder sind ja für den Kioskverkauf relevant. Warum will Bauer einen Mitspieler finanziell schwer schädigen oder sogar vom Markt drängen, der nur ein Hundertstel so viel verkauft wie die eigene Zeitschrift? Ein Mitspieler, mit dem sich eine Coop lohnen dürfte, denn niemand hat in der spirituellen Szene des deutschen Sprachraums inzwischen so viel Insiderwissen wie wir.
Wer bekommt Recht?
Ich konnte den Streit, der uns viel Geld gekostet und mich vermutlich monatelang beschäftigt hätte, außergerichtlich verhindern durch Zahlen eines »Lösegeldes«: die Gerichtskosten + meine eigenen Anwaltskosten + die Ausfälle, weil ich vier Wochen lang durch diese Sache gebunden war. Streit vermieden, gut so. Nun dürfen wir keine runden Titelbilder mehr bringen, das ist nicht so schlimm. Das traurige Fazit aus diesem vermiedenen Streit ist jedoch die Erkenntnis: Man darf in unserem Rechtsstaat nichts tun, was »den Großen« nicht passt, denn mittels ihrer finanziellen und personellen Ressourcen können sie den Kleinen gegenüber problemlos ihre Ziele durchsetzen, auch dann, wenn sie nicht »Recht haben«.
happinez ist eine Zeitschrift, die sich spirituell nennt und in ihrer aktuellen Ausgabe, ganz im Tonfall der Szene, dazu aufruft »dem Herzen zu folgen«. Auf der letzten dieser Herzens-Seiten steht dann, schön rot und fett hervorgehoben: »'Ich kann mir das nicht leisten' kann umgewandelt werden zu: 'Ich bin reich und kann ständig auf eine Quelle grenzenloser Möglichkeiten zurückgreifen'«. Das ist wieder diese mit unserem Wirtschaftssystem so gut kompatible Esoterik, die allen irgendwie Benachteiligten sagt, sie hätten ihre Situation selbst kreiert und könnten sie verwandeln. Ja, mein Leben ist sehr reich an Möglichkeiten, danke für die Erinnerung. Um aber »ständig auf eine Quelle grenzenloser Möglichkeiten zurückgreifen« zu können, braucht man zum Beispiel eine Rechtsabteilung und eine gut ausgestattete »Kriegskasse« (Branchenjargon), um auch in einer rechtlich zweifelhaften Situation die eigenen Ziele quasi spielerisch durchsetzen zu können.

Wolf Schneider, Jg. 1952. Autor, Redakteur, Kursleiter. Studium der Naturwiss. und Philosophie (1971-75) in München. 1975-77 in Asien, dann D-land, Italien, USA, Holland. 1985 Gründung der Zeitschrift connection. Seit 2008 Theaterspiel & Kabarett. Kontakt: schneider@connection.de, www.connection.de Blog: www.schreibkunst.com

 




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Wolf Schneider

Wolf Schneider, Jahrgang 1952, studierte Naturwissenschaften und Philosophie in München. Schon während seines Studiums begab er sich auf Reisen. Die nächsten Jahre verbrachte er in Europa und Südasien, wo er ab 1976 als buddhistischer Mönch in Thailand lebte und von 1977-1990 Schüler von Osho war. Zurück in München gründete er 1985 die Zeitschrift connection, die noch heute als connection Spirit mit der Sonderheftreihe connection Special erscheint. Seinen 2005 gegründeten Verlag mit integrierter "Schule der Kommunikation" wandelte er Anfang 2008 erfolgreich in eine AG um. Im Connectionhaus veranstaltet er Jahrestrainings unter dem Motto: "Kreativität, Kommunikation und Inszenierung". Mit seiner offenen, ehrlichen und humorvollen Art zu kommunizieren, schenkte er uns ein wunderbares Theaterstück (Zauberkraft der Sprache) und zahlreiche Bücher, die uns Leser in eine spannende Welt der Spiritualität entführen. Sein neuestes Buch: "Das kleine Lexikon esoterischer Irrtümer" erscheint im August 2008 im Gütersloher Verlagshaus.



Zusätzliche Informationen:
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